Matinee mit Maria Mariposa oder: Die Eleganz des Schmetterlings

Der zweite Weihnachtsfeiertag hielt ein ganz besonderes Event bereit: Das Weihnachtsmatinee in der legendären Rudolf-Oetker-Halle zu Bielefeld, an dem ich neben anderen Autoren des chili-Verlags im Rahmen einer Benefiz-Gala für den Bunker Ulmenwall vorlesen durfte. Pünktlich mit „meiner Fotografin“ Jacqueline Nolting angelangt, kamen wir sogleich in den Genuss, zu erfahren, was es bedeutet, wenn neben der eigenen Veranstaltung, vier andere mainacts stattfinden, die zum Teil dank des Einsatzes musikalischer Instrumente eine Wettbewerbsverzerrung nach sich zog. So hatte der Autor Gabor Wallrabenstein seine Texte gegen tosenden orchestralen Lärm vorstellen müssen. Trotz seiner leidenschaftlichen Vortragsweise kamen gefühlt nur 10% von den wunderbar verrückten literarischen Einfällen des Mannes in den Ohren des tapfer zuhörenden Publikums an. Doch ein gemeinsames Zusammenrücken (im wahrsten Sinne des Wortes) ermöglichte letztendlich Hör- und Lesegenuss für beide Seiten und die charmante locker-flockige Moderation dieser kritischen Situation durch die Organisatorin und Verlegerin Franziska Röchter sorgte dafür, dass unbedeutenden Nebensächlichkeiten wie die beeinträchtigende Akustik, nicht zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Christine Zeides profitierte von diesem organisatorischen Kniff. Und alles andere wäre auch sehr bedauerlich gewesen. Denn die frisch gebackene Abiturientin schreibt in einer Sprache, dass man meinen könnte, sie sei schon eine alteingesessener Literatin. Aus dem beschaulichen wohlbehüteten Bünde zog es sie in die große Welt hinaus zum Studieren – nämlich in keine geringe Stadt als die Großstadt Berlin, wo sie seit Oktober ihr Medizinstudium begonnen hat. Von den Anfängen dieses neuen Lebensabschnittes und den damit verbundenen Umstellungen berichtet sie in ihren Texten. Dabei entfaltet sie in ihren lyrischen Hebarien zauberhafte Klangkonstrukte, perfekt aufeinander abgestimmte Wortgebilde, die gerade zu minutiös elegant und unmerklich ineinander greifen, sich ergänzen, ausschließen und so zu einem stimmigen ganzen werden. Ihre Sprache ist so reich von überraschenden Metaphern und Personifikationen. Sie erweist sich als eine diplomierte Ingenieurin der Worte, welche die Geometrie des Endes beschreiben kann, die Licht-splitter entdeckt und sie an anderer Ort und Stelle bedacht und sanft wieder zusammenzusetzen versteht, sodass am Ende der gebannte Zuhörer überzeugt ist, gläserne Figuren flüstern zu hören

Weiterhin lasen u.a. Ralf Burnicki, Krimiautorin Andrea Gerecke und die ewig junge Wahl-Bielefelderin aus ursprünglich Leipzig, Siegrid Lichtenberger, die aus einem ihrer vielen Bücher im Pendragon Verlag für den Bunker Ulmenwall. Alle Akteure wurden perfekt von Jacqueline Nolting in Szene gesetzt, sodass sie sich von ihrer besten Seite zeigen konnten. ….

Für einen besonders verschärften Auftritt sorgte die Kölnerin Autorin Maria Mariposa, die direkt auf die Vorstellung meiner kleinen Satire folgte. Charmant griff sie das zuvor stark diskutierte Bekenntnis „Ja, ich liebe Männer!“ auf und schuf so einen spielerischen Anknüpfungspunkt für ihr eigenes Genre. Erotische Literatur um 13 Uhr. Das ist durchaus ein aufregendes Unterfangen. Den Gesetzen der U(h)r-Zeiten folgend hat sie ihre Dienstkleidung auch entsprechend zurückhaltend ausgewählt. Statt enger Korsage, die ihr mitnichten die Luft beim Auto fahren genommen hätte, ziert ihren schlanken Körper „lediglich“ nur ein hautenges schwarzes Kleid, das einen großzügigen Ausschnitt darbot (das Auge liest bekanntlich mit). Abgerundet wurde diese Garderobe mit einer raffiniert gemusterten Strumpfhose und knallroten Pumps. Statt sich hinter dem Rednerpult zu verstecken, setzt sie sich grazil auf den Vorlese®-tisch und fasst das Mikrofon resolut und doch geschmeidig mit zwei Fingerspitzen an. Wie sie es nun während des darauf folgenden Vortrags schafft, mit nur einer Hand kaum merklich die Seiten umzublättern, wird wohl ihr ewiges Geheimnis bleiben.
Sie hat mit „Das Monster“ eine außergewöhnliche Weihnachtsgeschichte mitgebracht, die gerade zu unschuldig daher kommt, den Spannungsbogen langsam sich entwickeln lässt und anschließend unaufhaltsam mit zahlreichen neckischen verzögernden Elementen (Rückblenden, Gedankenblasen) auf den Höhepunkt…ähm in dem Fall eine Katastrophe zusteuert. Ihr Vortrag ist ein einziger akustischer und visueller Genuss. Dass sie zuvor in ihrem Leben Berufs-Tänzerin gewesen war, macht sich in jeder Sekunde ihres Vortrags bemerkbar. Mit einer unglaublichen Freude am Lesen zieht sie alle in ihren Bann und lebt den Inhalt ihrer Texte vor. Ihr Variantenreichtum in der Stimme und die facettenreiche Intonation ermöglichten ihr ein breites Spektrum Emotionen abzubilden. Gepaart mit ihrer unverwechselbaren Körpersprache, die – wie ich später im Gespräch mit ihr erfuhr, völlig un(ter) bewusst geschieht, ergibt sich eine harmonische Performance. Während die einzelnen Laute stilvoll eine erotische Atmosphäre zu kreieren verstehen, räkelt sie sich geradezu zum Klang, den die Buchstabenfolge vorgibt. Geschmeidig fliessen die Sätze nur daher, deren wundersamen Lauf man (wiss)begierig und neugierig folgt. Leicht“füßig“ wie ein Schmetterling fliegt sie einzelne Wortblumen an, setz sich elegant nieder, und versteht es in den entscheidenden Momenten zu verharren, um sich kurz bewundern zu lassen, um dann wieder anschließend -spielerisch sich zierend  – die Flucht zu ergreifen. Sie schmiegt sich an ihre Worte wie eine Katze schnurrend an das Bein des Herrchen. Genüsslich lässt sie dieselben auf der Zunge kurz verweilen, testes nochmal, ob sie auch munden, bevor sie diese der Menge bereitwillig preisgibt,  Auf diese Weise will man gar nicht zum Ende kommen bzw. dass sie zum Ende kommt, denn sie versteht es anrüchig erscheinende Phänomene sprachlich so stilvoll und kunstvoll zu (ver-)kleiden, dass man weiter gefüttert werden will….

Eine kleine Kostprobe. die mir auf die Schnelle möglich war, mitzutippen: „Lustzentrum streicheln“, „bedeckte ihre Scham, „ureigene Schlacht der Lust“….“ihr Lieblingsduft Rose –der sich betörend in ihr Hirn vorarbeitete“….“Ein Stück weit rutschten ihre Schenkel haltlos auseinander..“…“Ob es sich um eine Männer-oder Frauen Hand handelte, traute sie sich nicht zu überprüfen…“

Doch das „wie“, wie sie diese Worte in den Mund nimmt – mal bedächtig, andächtig, genüsslich, manchmal verwegen, dann wieder schüchtern, souverän, erobernd, herrisch….sanft und wie ein kleines Kind, kann man nicht in Worte fassen, das muss man selbst gesehen, gehört, gefühlt, erlebt haben…

Ehrensache, dass ich mir gleich eines der heiss begehrten Exemplare nackt. schmecken sicherte, Meinen Wunsch hin, das Buch doch bitte mit einer ver******  Widmung zu versehen, erfüllte sie bereitwillig und ich musste doch angenehm schockiert schmunzeln, ob der herrlichen Doppeldeutigkeit, die sich mir da in schwungvollen Buchstaben: „Danke fürs Kommen!“ Auf meine Entgegnung, dass dies doch ein Wortspiel der eher unerwarteten Sorte „stumpf“ sei, erwiderte sie kokett: „Ach, ich dachte mir, manchmal muss es auch platt sein! Passte gut, fand ich!“ 😀 Aufjedenfall unmissverständlich und sehr sehr erfrischend.

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